Prototypen haben keinen Navigationsassistenten. Innovationen keinen Autopiloten.

Der Jupiter ist niemals gleich. Er zeigt sich in verschiedensten Farben und Formen, wirft Wirbel auf und ist in ständigem Fluss. Genauso sind es unsere Projekte: Sie erfordern individuelle Strategien, damit sie so einzigartig werden. Sie versinnbildlichen die Transformation und ändern dabei ihre Erscheinung. Und dabei ändern sie uns.


06. September 2022, Sebastian Jakl

and then?
and then …
and then!

Durch das Design-Universum reise ich seit einem halben Leben. Als erfahrener Raumfahrer durchquere ich dabei immer wieder Galaxien, die allen Gewohnheiten trotzen und ihre ganz eigenen Gesetzmäßigkeiten haben. Sie erfordern völlige Neuorientierung, und genau das macht sie so reizvoll. Ich glaube, wir als Designer suchen diese Zonen – zumindest lassen wir uns lustvoll auf sie ein und versuchen, sie mit unserem Erfahrungsschatz aus all den vorigen Expeditionen kennenzulernen und zu verstehen.

Es geht nicht darum, die Ersten zu sein, um wie bei einer Südpolexpedition ein Fähnchen in den Boden zu rammen. Aber wir sind Reisende, die dem Ruf der Fremde folgen und dann ein Kribbeln in der Bauchgegend spüren. Dabei haben wir eine Vision, die wir zu verwirklichen versuchen. Der Weg dorthin ist offen, weil noch nie gegangen. Also gehen wir ihn.

And Then Jupiter – Vienna Sky – SJ – xxl

Vor dreieinhalb Jahren bestiegen mein Partner Marc und ich ein neues Raumschiff, das wir auf den Namen „And Then Jupiter“ tauften. Dieser Name war fortan unsere Losung, denn er ist so reich an Bedeutungen und Assoziationen. Auf die Frage, wieso wir so heißen, gibt es ein Dutzend erwähnenswerter und spannender Antworten. Mir gefällt dieser Aspekt sehr gut: Ein „and then“ (… und dann …) kommt niemals allein. Und so bleibt das Ende der Geschichte immer offen. Diese eine Abfolge von Ereignissen implizierende Wortkonstellation definiert den Jupiter also keineswegs als ultimatives Ziel, sondern nutzt ihn als Projektionsfläche für weitere Sinnbilder.

Von der Philosophie zur Vision zur Mission.

Benannt nach dem mythologischen Gott Jupiter ist das ferne und doch wohlbekannte Gestirn ein Gasplanet. Seine Oberfläche ist niemals gleich, und er zeigt sich in verschiedensten Farben und Formen, wirft Wirbel auf und ist in ständigem Fluss. Genauso sind es unsere Projekte: Sie erfordern individuelle Strategien, damit sie so einzigartig werden. Sie versinnbildlichen die Transformation und ändern dabei ihre Erscheinung. Und dabei ändern sie uns. Das ist unser Metier, das ist der Grund, weshalb wir von unseren Kunden gefunden werden, und weshalb unsere Tätigkeit – und unser Output – so vielschichtig und bunt ist.


Diese zentrale Eigenschaft wollten wir auf unserer Website direkt erlebbar machen. Von Anfang an hatten wir die Vision, dass das Eintauchen in unsere Projekte ein kraftvolles Erlebnis sein soll: Wie ein Energie-Nebel sollte die Essenz eines jeden Projekts aus den Buchstaben seiner Titel strömen, den gesamten Bildschirm kapern und die/den BetrachterIn in seinen eigenen, neuen Kontext hüllen.

Super Idee, nicht wahr? Aber wie soll das funktionieren? Es gab nichts, was unserer Vorstellung entsprach. Also bestiegen wir unser Raumschiff und flogen los. Ohne Autopiloten, ohne Navigationsassistenten. Aber das Universum hält in jedem Quadranten Überraschungen bereit. Die erste Galaxie, die wir durchquerten, zeigte uns faszinierende Videos von kreativen Leuten, die Farbe in Aquarien spritzten und dies in Slow-Motion filmten. Wir überlegten uns, wie wir diese Technik adaptieren könnten. Wir planten, uns ein Aquarium zu kaufen, eine Slow-Motion Kamera auszuleihen und Schablonen für die Projekttitel herzustellen. Die Farbe sollte durch diese Schablonen geschossen werden und das Ganze würden wir in Superzeitlupe abfilmen. Auf der Website würde dann das Video abgespielt werden, wenn die/der NutzerIn auf den Projekttitel klickt. Ein mega Aufwand für eine technisch gesehen sehr statische Lösung. Denn: Für jedes neue Projekt müssten wir einen eigenen Film produzieren und ein komplexes Set erstellen. Hier fehlte letztendlich jede Relation zwischen Aufwand und Ergebnis.


Ein paar Sonnensysteme weiter: Rauchbomben! In einem geschlossenen Behältnis würden wir sie zünden, der bunte Rauch quillte durch ausgeschnittene Schrift hindurch, und diese Anordnung würden wir filmen. Gleiches Problem: sehr aufwändig, noch dazu nur im Freien durchführbar und vor allem: statisch.


Toms setzte die dritten Koordinaten mitten in der verheißungsvollen Blender-Galaxie. Mit der 3D Software kreierte er ein rein digitales Setting, das der oben beschriebenen Rauchbomben-Anordnung entsprach. Wir hatten einen ersten Prototypen und ein erstes Erfolgserlebnis. Wir schliffen an der Optik, aber das Problem der Statik blieb bestehen. Denn auf der Website würde die Animation als Video in einer Scroll-Animation abgespielt werden. Der Nebel würde sich immer gleich entfalten, es gäbe nur eine Vorwärtsbewegung.

Wir hatten uns schon damit abgefunden, dass uns die Vision vom interaktiven Energie-Nebel in eine Sackgasse (oder soll ich sagen: in ein Schwarzes Loch?) führt, als wir auf die Welt der Generativen Kunst stießen. Ein ganzes, riesiges Universum! Marc zeigte uns ein paar besonders beeindruckende Beispiele. Fasziniert von den irren Bildern, tauchten wir tief in die Szene ein. Indem wir alles aufsogen, was wir finden konnten, eigneten wir uns die Funktionsweise und Prinzipien an – oder versuchten sie zumindest ansatzweise nachzuvollziehen. Unsere anvisierte Anwendung war jedoch immer noch nicht greifbar. Und auch etliche Experimente, Systeme für unsere Anwendung zu modifizieren, lieferten keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Die Balance von Style, Komplexität und Kompatibilität ist immens delikat.

Da stieß ich auf die Coding-Experimente von Tobias Batik, die mich sofort faszinierten. Sie waren wirkungsvoll und gleichzeitig unaufgeregt, charmant und konzeptionell intelligent. Wir fragten ihn, ob wir ihn ein Stück weit auf unserer Expedition mitnehmen dürften. Gemeinsam mit Thomas Bendl, der unsere Website technisch entwickelt hat, brachten wir Aussehen, Funktionalität und Kompatibilität auf einen Nenner.

Design, Webentwicklung und Creative Coding fanden eine fruchtbare Symbiose, unterschiedliche Expertisen trafen aufeinander und entfachten eine Nova. Der interaktive, aus der Typografie unserer Projekttitel ausströmende Farbnebel war erschaffen. Dieses immersive Partikelsystem entfaltet sich niemals gleich, jeder Click schafft eine einzigartige Sphäre, in der sich unsere Projekte künftig präsentieren. Der Moment des Unerwarteten schafft, insbesondere in einer digitalen Welt, einen ganz besonderen Reiz.

Mission
accomplished!

Eine weitere Episode von And Then Jupiter ist abgeschlossen – die Geschichte ist längst nicht zu Ende. Mit vielen neuen, wertvollen Erfahrungen steuern wir erstmal zurück zur Homebase. Erfolge müssen auch gewürdigt und gefeiert werden, bevor man sich in das nächste Abenteuer stürzt.


… and then …

Der Autor

Sebastian Jakl

Sebastian ist seit über 25 Jahren Designer. Seine Expertise prägt zahlreiche bekannte nationale und internationale Marken. Als Gründer von And Then Jupiter verleiht er den Projekten Warp-Antrieb. Seit 2020 gibt er sein Wissen an junge Designer auf „der Graphischen“, der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt in Wien weiter.

Mehr Jazz